Von der Freude, die in gutem Service steckt

Der bekannte Forscher über Service, der Anbieter wie Empfänger glücklich macht

Von der Freude, die in gutem Service steckt

Für den Wissenschaftler und Unternehmer Idriss Aberkane sollte Service immer ein Teil eines ganzheitlichen Systems sein. Dann macht er nicht nur Kunden glücklich, sondern seinem Anbieter sogar Spaß.

In seiner französischen Heimat ist Idriss Aberkane ein gefragter Gesprächspartner zu einer großen Bandbreite von Fragen. Im Hager Forum interviewte ihn Cécile Mora (Public Relations Manager) zum großen Thema Service.

Herr Aberkane, Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie unser Gehirn arbeitet. Was verrät uns die Hirnforschung über Dienstleistungen?

Etwas sehr Wesentliches: dass wir Menschen zuallererst immer den materiellen Teil unserer Welt wahrnehmen. In dieser Hinsicht haben wir ein Schimpansen-Gehirn, weil wir zuerst nach Dingen schauen, die für uns greifbar und essbar sind. Services hingegen sind zumeist unsichtbar, und das macht es für unser Gehirn schwieriger, sie zu verstehen und ihren Wert einzuschätzen. Ein Gegenbeispiel wäre ein Getränkeautomat am Bahnhof: Die Cola-Dose aus dem Automaten wird in den allermeisten Fällen teurer sein als die gleiche Cola-Dose aus dem Supermarkt. Andererseits ist für uns der Service, nicht extra in den Supermarkt laufen zu müssen, um unseren Durst zu stillen, ein greifbarer Vorteil. Die erste Lehre lautet also: Wer einen Service verkaufen will, sollte den Vorteil sicht- und greifbar machen.

Und wie lautet die zweite Erkenntnis?

Dass man dem Kunden immer das Gefühl geben sollte, etwas gewonnen zu haben. Auch hier ein Beispiel von unseren nahen Verwandten, den Affen: Es gibt ein Experiment mit Pinché-Affen, bei dem man den Versuchsaffen einen Marshmallow gab. Dann wurde eine Münze geworfen, und wenn die Münze auf die richtige Seite fiel, bekam der Affe einen zweiten Marshmallow. Den Affen machte dies glücklich, weil er den Münzwurf als Chance verstand, einen zweiten Marshmallow zu gewinnen.

Klingt logisch, aber was lernen wir daraus?

Ganz anders ist es, wenn man das Ganze umgekehrt aufzieht, indem man dem Äffchen zunächst zwei Marshmallows zeigt und dann per Münzwurf entscheidet, ob er nur eine oder beide Süßigkeiten bekommt. Statistisch macht es keinen Unterschied: Der Affe hat eine 50:50-Chance, einen zweiten Marshmallow zu gewinnen. Für den Primaten jedoch ist der Unterschied erheblich: Fällt die Münze auf die ungünstige Seite, flippt er aus, denn auf diese Weise sieht es für ihn wie ein Verlust aus. Bei einem gefühlten Gewinn hingegen schüttet unser Körper Dopamin aus, den Neurotransmitter für Freude und Belohnung. Deswegen ist es wichtig, Service als einen spürbaren, greifbaren Gewinn erlebbar zu machen.

Wie stellt man das an?

Eine der am meisten vernachlässigten Dimensionen in puncto Service ist die „letzte Meile“. Gemeinhin geht man ja davon aus, dass es für den Service, den man leisten kann, einen gewissen Bereich gibt. Und alles, was darüber hinaus geht und jenseits unseres Einflussbereiches liegt – die letzte Meile zum Kunden – nicht unsere Angelegenheit sein kann.

Wer aber ausgezeichneten Service bieten will, muss seine Komfortzone verlassen und sich auch um jene Dinge kümmern, die jenseits des üblichen Einflussbereichs zu liegen scheinen.

Eine Dose Cola ist eine Dose Cola. Warum wir dennoch für die eine gern deutlich mehr bezahlen als für die andere, erklärte Idriss Aberkane im Hager Forum.

Nennen Sie mal ein Beispiel.

Der Michelin-Restaurantführer ist ein gutes Beispiel. Wie kommt ein Reifenhersteller dazu, einen Restaurantführer aufzulegen? Ganz einfach: Als Reifenhersteller hat Michelin erkannt, dass zum angenehmen Reisen auch die Einkehr in gute Restaurants gehört. Ein anderes Beispiel ist Tesla: Als der E-Autohersteller seine Supercharger-Stationen aufbaute, fragten die Leute, was das Aufladen an diesen Stationen denn wohl kosten werde. Tesla-Chef Elon Musk aber sah das anders. „Sind wir eine Batterie-Ladefirma?“ fragte er sinngemäß. „Nein, wir sind ein Autohersteller. Und weil wir unsere Autos zu einem ziemlich hohen Preis verkaufen, sollten unsere Kunden sie kostenlos auftanken können. Das ist Teil des Kundenerlebnisses. Wir wollen an unseren Autos und nicht am Aufladen verdienen.“ Diese Entscheidung war selbst im Luxus-Segment ziemlich einzigartig. Aber sie wird heute als ein ausgezeichneter Service wahrgenommen.

Idriss Aberkane ist ein französischer Unternehmer, Forscher und Professor für Wissensökonomie. Im letzten November hat er im Hager Forum in Obernai einen Vortrag zu dem Thema „Love can do“ gehalten.

Wann haben Sie kürzlich ausgezeichneten Service erfahren?

Als ich neulich, zum ersten Mal in meinem Leben, mit der „La Première“ der Air France geflogen bin. Wenn man nämlich als First-Class-Passagier eincheckt, hat man vom Check-in bis zum Start des Flugzeugs einen Begleiter, der dafür zuständig ist, Probleme zu beheben und Wünsche zu erfüllen. Es war ein nahtloser, perfekter Service, weil er dem Passagier die Mühen der Zollformalitäten, der Sicherheitskontrolle und so weiter abnimmt.

Ich könnte mir vorstellen, dass künftig künstliche Intelligenz eine ähnliche Aufgabe erfüllt. Heute kann uns Apples Siri die Frage beantworten, wie hoch an diesem Tag die Regenwahrscheinlichkeit ist und ob wir einen Schirm mitnehmen sollten. Morgen könnte eine künstliche Intelligenz wie Siri komplexere Aufgaben erfüllen, beispielsweise: „Hallo Siri, könntest Du einen Ferienjob für meine Tochter in Singapur organisieren?“

Wie sieht es mit dem Gegenbeispiel aus: Was ist schlechter Service?

Schlechter Service ist es, wenn man heutzutage noch für WLAN im Hotel zahlen soll. Das ist so absurd, als müsste man fürs Wasser zahlen. Manche Hotels verfolgen eine Variante und bieten dem Gast wahlweise ein kostenloses, aber grottenschlechtes WLAN an und alternativ ein leistungsstarkes, das zehn Dollar pro Tag kostet. Das wiederum ist so, als wäre im Badezimmer des Hotels das kalte Wasser gratis, das warme jedoch kostenpflichtig. Das kommt davon, wenn man das eigene Interesse über das des Kunden stellt.

Warum ist die von ihnen erwähnte „Nahtlosigkeit“ der Serviceerfahrung so wichtig?

Weil die besten Services Teil eines großen Ganzen sind. Gierige Anbieter betrachten jeden ihrer Services als isoliertes Einzelangebot, das Profit abwerfen muss. Beim Kunden führt das lediglich zu Ärger und Frust. Gute Services hingegen führen zu einer positiven ganzheitlichen Serviceerfahrung, die als Gewinn empfunden wird. Wer also ein Hotel betreibt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass man im Gastgewerbe tätig ist und nicht in der Telekommunikationsbranche. Dann macht Service für alle Seiten Spaß.

Meinen Sie wirklich? Bei vielen Anbietern hat man das Gefühl, als rückten sie ihre Services ähnlich ungern heraus wie ihre Tresorkombination.

Wenn es um Herausforderungen geht, gibt es in dieser Welt zwei Wege, um sie zu lösen: Entweder man betrachtet sie als lästige Aufgaben, die man mit möglichst minimalem Aufwand zu erledigen gedenkt. Etwa so, wie Churchill es gesagt hat: „Ein Optimist ist jemand, der in jedem Problem eine Möglichkeit entdeckt. Ein Pessimist ist jemand, der in jeder Möglichkeit ein Problem sieht.“ Pessimisten sehen nicht, dass Probleme Möglichkeiten sind, die sie reich machen könnten – zum Beispiel, indem sie einen neuen Service erfinden.

Optimisten hingegen sind Leute, die Probleme lösen, weil es ihnen Spaß macht. Auf diese Weise entstehen die besten Services. Ich persönlich verfolge in meinen Unternehmen eine ähnliche Strategie: Wenn ich auf ein Problem stoße, gehe ich es erst an, wenn ich den Spaß in ihm entdeckt habe – ganz egal, ob es sich um einen Mikrokredit im Senegal oder ein Videospiel für ein Großunternehmen handelt. Leider handeln die meisten Leute anders. Sie sehen die Pflicht und glauben, es wäre normal, von ihrer Erfüllung gelangweilt zu sein. Das ist das Erbe der industriellen Revolution.

Das müssen Sie erklären.

Die industrielle Revolution hat uns mit dem Glauben hinterlassen, man könne durch Arbeit entweder Erfüllung oder Produktivität erreichen, nicht aber beides. Dieser Glaube ist noch heute in Frankreich, Südkorea, Japan und China weit verbreitet. Er ist aber falsch. Auch wenn ein produktiver Mensch nicht zwangsläufig von seiner Arbeit erfüllt wird, ist ein erfüllter Mensch in jedem Fall produktiv. Menschen zu helfen, sich in ihrer Arbeit selbst zu verwirklichen, ist also ein sehr profitables Unterfangen, ganz abgesehen davon, dass ich keinen einzigen erfüllten Menschen kenne, der eine Belastung für die Gesellschaft wäre. Ich kenne aber viele produktive Menschen, die depressiv, gewalttätig und in Gefahr sind, Psychopathen zu werden.

Der Mensch ist ja wie eine Orange, die man entweder ausquetschen oder auspflanzen und hegen kann. Wenn man ihn ausquetscht, hat man ein Glas Orangensaft. Wenn man ihn hingegen in eine fruchtbare Umgebung setzt, erhält man einen Orangenbaum und langfristig einen sehr viel größeren Ertrag. Wir müssen uns entscheiden.

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