Weshalb Servicequalität eine Frage der Unternehmenskultur ist

Ein unabhängiger Experte über die Faktoren, die einen wirklich guten Service ausmachen

Kaum jemand erforscht die Qualität von Services so genau wie der Münchener Sozialwissenschaftler Dr. Matthias Metje. Als Vorstandsmitglied der ServiceBarometer AG untersucht er regelmäßig die Beziehungen von Unternehmen zu ihren Kunden – und weiß daher genau, worauf es bei gutem Service ankommt.

Weshalb Servicequalität eine Frage der Unternehmens­kultur ist

Dr. Matthias Metje,
Vorstand für Forschung

Der Sozialwissenschaftler Dr. Matthias Metje ist Vorstandsmitglied der Münchener ServiceBarometer AG, für die er die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden erforscht. Mit dem Kundenbarometer veröffentlicht die ServiceBarometer AG seit 1992 jährlich eine Benchmarking-Studie über mehr als 80 Branchen und liefert damit ein maßgebliches Service-Messinstrument, das die vielfältigen Facetten der Kundenzufriedenheit, der Qualität der Kundenbeziehung sowie deren Auswirkung auf die Kundenbindung sichtbar macht.

Herr Metje, fangen wir vorne an: Was ist Service eigentlich genau?

Da fangen wir gleich am schwersten Punkt an. Service ist ein Begriff, von dem jeder seine eigene Vorstellung hat. Landläufig denkt man da an den klassischen Kundendienst, aber das trifft nur einen kleinen Teil.

Mit welcher Definition arbeiten Sie?

Ich würde sagen, ein Service ist eine Zusatzleistung, die über die Kernleistung hinaus geht und mit einem besonderen Kundennutzen verbunden ist.

Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

Spontan fällt mir da WLAN im Fernbus ein. Die Kernleistung ist der Transport, kostenloses Internet ist nicht notwendig – aber sehr annehmlich für die Kunden.

Welchen Nutzen zieht eine Firma aus dieser Zusatzleistung?

Die Produkte nähern sich immer mehr an, ihre Qualität ist mittlerweile vergleichbar. Salopp gesagt, ist heute vieles austauschbar. Gerade bei technisch standardisierten Produkten entsteht die Wettbewerbsdifferenzierung häufig über zusätzliche Leistung – also Service. Das kann kaufentscheidend sein.

Wird Service mit einer zunehmenden Digitalisierung wichtiger?

Ja, das Gefühl habe ich.

Warum?

Wir haben festgestellt, dass aus der Digitalisierung viel Nutzen für den Kunden entstanden ist – sie führt aber auch dazu, dass man in bestimmten Momenten einen persönlichen Ansprechpartner unbedingt braucht. Das nimmt zu.

Können Sie das konkret machen?

Nehmen Sie die Flugbuchung, die läuft heute vollkommen automatisiert. Von der Buchung bis zum Check-In brauche ich keinen Menschen mehr. Das System stößt aber dann an seine Grenzen, wenn der Flug ausfällt. Dann wird der persönliche Kontakt plötzlich sehr wichtig, weil es um individuelle Entscheidungen geht.

Sie sprechen hier vom Privatkundenbereich – gilt das auch für Geschäftskunden?

Da gibt es große Unterschiede. Geschäftskunden haben viel häufiger Kontakt, die wünschen sich an erster Stelle eine langfristige und verlässliche Beziehung auf Augenhöhe. Wenn ein Teil nicht rechtzeitig auf der Baustelle ist, zeigt sich, wie schnell und flexibel ein Unternehmen reagieren kann. Das ist für sie entscheidend.

Welche Rolle spielt der Mitarbeiter in diesen Situationen?

Der Mensch ist der wichtigste Service-Erbringer. Sicher, es gibt technische Lösungen, wie WLAN im Bus – aber entscheidend ist, inwieweit Mitarbeiter bereit sind, sich für den Kunden ins Zeug zu legen. Vor allem in Stresssituationen.

Also durchgehende Erreichbarkeit?

Das alleine reicht nicht. Geschäftskunden wünschen sich Durchschlagskraft. Sie wollen beim Unternehmen etwas auslösen. Wenn irgendwo ein Lkw liegengeblieben ist, müssen sie schnell jemanden erreichen, der helfen kann – unkompliziert und gerne auf dem kleinen Dienstweg, wie man so schön sagt. Begeisterung entsteht, wenn Menschen vom Standard abweichen und individuell reagieren.

Sind Geschäftskunden fordernder?

Im B2B-Bereich haben Sie es meist mit Kunden zu tun, die entscheidungsbefugt sind – das erwarten sie auch von ihrem Gegenüber. Wichtig ist die Bereitschaft, alle Hebel in Bewegung zu setzen und zuverlässige Aussagen zu treffen. Wenn es einmal eine Verzögerung gibt, ist das gar nicht so schlimm, wenn vorher gesagt wurde: „Pass auf, es gibt hier ein Problem, aber in zwei Stunden hast du das Teil“.

Aber Geschäftskunden sind strenger?

Auch nicht unbedingt. Sie bringen nämlich auch Nachsicht mit, weil sie aus ihrem eigenen Unternehmen wissen, dass Dinge auch mal schieflaufen können. Diese Toleranz bringen sie in die Kundenbeziehung mit ein. Eine langjährige Beziehung wird durch einen Fehltritt nicht sofort in Frage gestellt. Privatkunden können da unbarmherziger sein.

Was raten Sie Firmen, die sich um ihren Service bemühen?

Sie dürfen keinesfalls ihre Kernleistung vernachlässigen. Nur WLAN bringt nichts, der Bus muss auch ans Ziel kommen.

Welche Rolle spielt der Preis?

Eine immense. Gerne wird der deutsche Drogeriemarkt dm als Vorzeige-Unternehmen präsentiert. Das ist er auch, der Service-Gedanke ist dort tief verwurzelt. Aber man übersieht schnell, dass dm auch sehr viel daran setzt, Preisführer zu sein. Da geht es manchmal um fünf Cent pro Produkt. Nur Service allein funktioniert nicht.

Aber er macht den kleinen, feinen Unterschied?

Genau. Wenn dm die Preise hält, entscheiden die weichen Faktoren, kleine Extraleistungen, wie zum Beispiel der Wickeltisch, den gibt’s bei der Konkurrenz nicht. Oder kostenloses Wasser, Lupen am Einkaufswagen, breite Gänge, Preistransparenz. Das sind viele, kluge Kleinigkeiten.

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur?

Der wichtigste Faktor für Service ist der Mitarbeiter. Der muss den Service-Gedanken in sich tragen. Diese Bereitschaft kann man im Nachhinein nur mit viel Mühe schaffen.

Das erfordert Vertrauen in die Mitarbeiter.

Ja, und Autonomie der Leitung. Es hilft, Menschen mit Entscheidungsmacht auszustatten, damit sie kulant reagieren können. Also die Frage, ob der Baumarktmitarbeiter ein Auge zudrücken kann, wenn der Kunde einen Hammer umtauschen will, den er gar nicht dort gekauft hat.

In welcher Branche erkennen Sie neue Trends im Service?

Im Mobilfunk tut sich gerade etwas bei den Inklusivleistungen. Neuerdings werden damit nicht nur Neukunden gelockt, sondern auch Bestandskunden für ihre Treue belohnt. Das kommt gut an, diese Kunden fühlen sich in ganz besonderer Weise wertgeschätzt.

Sind diese Kunden besonders dankbar, weil sie damit nicht gerechnet haben?

Zufriedenheit entsteht immer aus dem Abgleich von Erwartung und erhaltener Leistung. Wenn ein Discounter nur günstige Preise verspricht und dieses Versprechen einhält, macht er seine Kunden glücklich. Viele Firmen schaffen aber Erwartungen, die sie nicht halten können. Das zieht Ärger mit sich.

Inwiefern ist Service Luxus? Muss man sich als Firma die Zusatzleistungen auch leisten können?

Nein, das würde ich nicht sagen. Viele Aspekte haben mit dem Verhalten der Mitarbeiter und ihrer Einstellung zu tun. Das muss kein Geld kosten. Es gibt zwar technische Lösungen, aber wichtiger ist, wie zugänglich das Unternehmen über seine Mitarbeiter ist. Wie aufmerksam sind sie, grüßen sie, kennen sie meine Wünsche?

Gibt es regionale Mentalitätsunterschiede beim Thema Service?

Auf jeden Fall. Denken Sie nur an das Einkaufsverhalten in den USA. Dort gehört es zum guten Ton, dass mir am Ende der Einkauf in Tüten gepackt wird. In Deutschland hingegen käme das gar nicht gut an, der Deutsche möchte seinen Einkauf selber einpacken.

Service ist also auch eine Frage der Kultur?

Und eine Frage der Rahmenbedingungen. Nehmen Sie als Beispiel die Schweiz. In meinen Befragungen haben sich die Schweizer immer gewundert, dass die Deutschen so häufig zum Baumarkt gehen. Das liegt daran, dass die Renovierung in der Schweiz Sache des Vermieters ist – daher werkelt der Schweizer Mieter viel weniger im Haus. Das muss man wissen, wenn man sich als Baumarkt überlegt, wie gut ein Anhängerverleih im Land ankommt. Oder nehmen Sie Mobilfunk in Skandinavien: Dort haben Sie eine ganz andere Offenheit gegenüber mobilen Zahlungsmöglichkeiten, in Mitteleuropa ist man da viel skeptischer.

Unterscheidet sich auch die Erwartungshaltung je nach Land?

Ja, die Schweizer zum Beispiel mögen ihre Eisenbahn sehr viel mehr als die Deutschen. In Deutschland entschuldigt sich die Bahn für fünf Minuten Verspätung bei einer Fahrtzeit von fünf Stunden – das ist eigentlich Wahnsinn. In der Schweiz ist man toleranter. Es scheint dort nicht weniger Verspätungen zu geben, aber das Image der Bahn ist viel besser. Der Unterschied in der Kundenzufriedenheit ist nur durch die Leistungserbringung nicht zu erklären.

In den meisten Branchen scheint man dazuzulernen, fast alle Kurven Ihres Zufriedenheitsrankings zeigen nach oben. Haben Sie auch Rückschritte gemessen?

Da fallen mir die Fluggesellschaften ein. Die haben sich möglicherweise mit der Reduktion von Services jetzt an den Rand manövriert. Erst wurden die Sitzabstände immer kleiner, dann die Mahlzeiten reduziert, zum Teil ganz gestrichen. Da erkennen wir einen klaren Rückgang der Zufriedenheit. Man könnte sagen, der Bogen ist allmählich überspannt.

Auf der anderen Seite ist Fliegen heute so billig wie nie. Ist das nicht, was Kunden wollen?

Das zeigt, dass Kunden auch bei einem sehr günstigen Preis noch gewisse Erwartungen an Service haben. Auf einem Vierstundenflug gar nichts zu essen zu bekommen, ist ihnen dann doch zu mager.

Geht der Fall schneller als der Aufstieg?

Es braucht Jahre, um Vertrauen aufzubauen und Minuten, es zu zerstören – da ist schon was dran. Wenn in einem Unternehmen eine Servicekultur besteht, dann ist das ein unschätzbarer Wert.

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