Das intelligente Netz

Tüfteln an der Energielandschaft von morgen

Weltweit wird immer mehr Strom aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen. Um aber grüne Energie sicher zu nutzen und Versorgungsnetze entlasten zu können, braucht es hochintelligente Steuerungssysteme. Genau daran arbeiten Mitarbeiter der Hager Group in einem Forschungsprojekt mit Partnern aus der Energiebranche. Ihr Ziel: Eine Blaupause für die Energienetze der Zukunft.

Noch sind es abstrakte Softwarecodes, die über den Bildschirm von Dr. Norbert Schmitz am Blieskasteler Standort der Hager Group flimmern. „Das System“, von dem der Forscher der Hager Group erzählt, ist ein Mammutprojekt, das jahrelange Entwicklungsarbeit erfordern wird. Doch bereits heute lässt sich absehen, dass aus dieser Entwicklungsarbeit ein wesentlicher Knotenpunkt für die Energienetze der Zukunft entstehen könnte.

„Was unseren heutigen Versorgungsnetzen fehlt, ist Transparenz über den aktuellen und zukünftigen Verbrauch“, erklärt Norbert Schmitz, Advanced Digital Solution Manager in der Abteilung Corporate Strategy bei der Hager Group. „Auch bei den Stromerzeugungsanlagen – also beispielsweise Windräder und Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern – brauchen wir mehr Einblicke, wie viel Elektrizität sie aktuell und in naher Zukunft erzeugen werden. Nur so lässt sich verhindern, dass stark schwankende Energieproduktion und -verbrauch die Energienetze überfordern.“

Gefragt: Hochflexible Energieversorgungsnetze

Dieser technologische „Balanceakt“ ist eine der Hauptaufgaben des Projekts „Designetz“, das vom deutschen Bundeswirtschaftsministerium ins Leben gerufen wurde. „Designetz“ startete im Januar 2017 mit 46 erfahrenen Partnern aus Energiewirtschaft, Industrie, Forschung und Entwicklung. Es gilt als eines der wichtigsten Forschungsprojekte, die aktuell in der Bundesrepublik Deutschland laufen. Angelegt ist das Projekt auf eine Dauer von vier Jahren. Realisiert wird es in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Dass die Hager Group zum Projektpartner gewählt wurde, zeigt, welche Wertschätzung man dem Unternehmen in der Energiebranche entgegenbringt.

„Unsere Erfahrung bei Gebäudeautomation und intelligenten Systemen kommt hier voll zum Tragen“, erklärt Norbert Schmitz. Und diese Expertise wird auch gebraucht, denn bereits in den nächsten Jahren will Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie vollziehen. Bis zum Jahr 2050 sollen die Treibhausemissionen um 95 Prozent reduziert und der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf 80 Prozent gesteigert werden. Auf diesem Weg kommt die Bundesrepublik gut voran: Im Oktober 2017, einem ebenso stürmischen wie sonnigen Monat, stieg in Deutschland der Anteil des aus erneuerbaren Energieträgern gewonnenen Stroms erstmals auf den historischen Rekordwert von 44,1 Prozent. Insgesamt produzierten die Ökostromanlagen in diesem Monat gut 20,7 Milliarden Kilowattstunden Strom – ausreichend, um den durchschnittlichen Jahresverbrauch von 5,9 Millionen Zweipersonenhaushalten zu decken. Allein die Wind- und Solaranlagen trugen rund 14,6 Milliarden Kilowattstunden dazu bei.

Belastungsprobe für die Energieversorgung

„So erfreulich diese Entwicklung ist, so dringend verlangt sie doch nach neuen Lösungen fürs Energienetz“, erklärt Dr. Torsten Hager, Innovation Manager - Energy Management, und Leiter des Designetz-Teams bei der Hager Group. „Denn mit der naturgemäß schwankenden Energieproduktion aus Sonnen- und Windkraft, einer wachsenden Zahl von Energiespeichern und E-Mobilen setzen wir das Stromnetz ungewohnten Belastungen aus.“

Genau hier setzen die Projektpartner an. Norbert Schmitz und seine Kollegen entwickeln dafür intelligente Algorithmen, die die Netzbelastung spürbar senken, Planbarkeit erhöhen und für Versorgungssicherheit sorgen könnten. Dafür verbinden sie viele Millionen Datenpunkte aus Vergangenheit und Gegenwart, aus denen sich Prognosen für den Energieverbrauch und die –produktion in naher und fernerer Zukunft ableiten lassen. Erhoben werden die Daten mit modernster im Stromnetz verbauter Sensorik. Die entsprechenden Sensorsysteme entwickelt Martin Schröder, Produkt Manager Mess- und Kommunikationstechnik, gemeinsam mit seinen Kollegen bei der Hager Group-Tochter EFEN.

„Wir arbeiten hier quasi direkt im Maschinenraum unserer zukünftigen Energieversorgung“, erklärt Schmitz, der vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz zur Hager Group wechselte. Der Clou: Als selbstlernendes System wird sich das von der Hager Group entwickelte Energiemanagementsystem fortlaufend selbsttätig weiterentwickeln. Es „lernt“ aus gesammelten Erfahrungswerten und „weiß“ daher künftig genauer, wann welcher Verbrauch und welche Produktion im Gebäude zu erwarten sind. Diese Intelligenz wiederum ist eine wesentliche Voraussetzung, um beide Parameter künftig steuern und abstimmen zu können.

Wie viel Energie wird morgen benötigt? Und wofür?

Meldet der Wetterdienst beispielsweise für die kommenden Tage Starkwind, könnte das System abgleichen, ob die zu erwartende zusätzliche Windstromproduktion voraussichtlich von den Strom-Abnehmern abgefragt werden wird. Wie viel Strom wird erfahrungsgemäß zu einer bestimmten Jahres- und Tageszeit verbraucht? Decken sich prognostizierte Stromerzeugung und vermutlicher Stromverbrauch? Oder ist aufgrund mit Produktionsüberschüssen zu rechnen? All diese Varianten rechnet die Künstliche Intelligenz des Systems fortlaufend durch – und ermöglicht dem Energieversorger, entsprechende Ausgleichsmaßnahmen einzuleiten.

Kommt es beispielsweise zu Produktionsüberschüssen – was heute bereits immer wieder der Fall ist – könnten in Haushalten automatisch Großverbraucher aktiviert werden, die den Zusatzstrom abnehmen. Mit der Überschussenergie könnten Elektrofahrzeuge und die Batterien von Haushaltsspeichern oder Speichern ganzer Wohnviertel aufgeladen werden, Wärmepumpen zugeschaltet und auf diese Weise die Ökostrom-Produktionsspitzen sinnvoll genutzt werden. Umgekehrt ließen sich Versorgungsengpässe bei Windstille und/oder bedecktem Himmel vermeiden, indem Anlagen abgeschaltet oder anstehende Verbrauchsleistungen wie das Aufladen eines E-Mobils verschoben würden.

Der nächste Meilenstein des Projektes liegt in der Entwicklung von Schnittstellen, mit denen die unterschiedlichsten Geräte und Anlagen ins System integriert werden können. „Wir sprechen hier von einem hochkomplexen selbstlernenden System“, so Norbert Schmitz, „gleichzeitig muss das System hundertprozentig stabil agieren. Denn oberste Prioritäten bleiben nach wie vor Netzstabilität und Versorgungssicherheit.“

Prototypen liefern bereits erste Testergebnisse

Aktuell testen Norbert Schmitz und seine Kollegen bereits erste Versionen ihres Systems im Feldversuch mit real existierenden Verbrauchern im Stadtnetz Saarlouis. Komplexere Szenarien spielen sie in aufwändigen Simulationen durch. Bei alledem können sie auf Erfahrungen vor der Haustür zurückgreifen: Das neue Forschungs- und Anwendungszentrum der Hager Group, in dem auch ein Teil der „Strategie und Innovation“-Abteilung angesiedelt ist, nutzt ebenfalls lernende Algorithmen, um Energienachfrage und Stromproduktion in Balance zu halten. Das 2015 fertig gestellte Bürogebäude versorgt sich so zu etwa 90 Prozent eigenständig mit Strom.

Ein ähnlicher Balanceakt wird auch im Projekt „Designetz“ angestrebt. Von der heute noch ungewohnten Flexibilität des Energieversorgungssystems werden am Ende alle profitieren: Energieversorger, weil ihre Netze entlastet werden. Stromkunden, weil man sie für ihre Flexibilität mit günstigeren Tarifen belohnt. Umwelt und Klima, indem der klimaneutral erzeugte Ökostrom sinnvoll genutzt wird. Und nicht zuletzt Wirtschaft und Gesellschaft, weil teure Kohle- oder Gaskraftwerke, die momentan noch als Versorgungsreserve vorgehalten werden müssen, abgeschaltet werden könnten.

System Hager – der nächste Exportschlager?

Klingt alles wie Zukunftsmusik? Ist aber bereits der übernächste Schritt der Energiewende, die weltweit auf vielen Märkten bevorsteht. Aus der Einwegbahn der heutigen Energieversorgung – Großkraftwerke an einem, eine Vielzahl anonymer Verbraucher am anderen Ende der Leitungen – könnte so ein atmender, intelligenter, sich selbst regulierender Organismus werden. Und das Energiemanagement-System der Hager Group wäre Herz und Hirn dieses intelligenten Netzwerks.

„Wir sammeln mit Designetz wertvolle Kontakte, Erfahrungen und Schlüsselerkenntnisse, die uns auch in unserem Kerngeschäft weiterbringen werden“, sagt Johannes Hauck, Corporate Business Environment & Partnerships bei der Hager Group, und einer der Begleiter des Projekts. Die entwickelten Technologien wiederum werden Lösungen sein, die sich in der Steuerung der Energieversorgung überall auf der Welt einsetzen lassen.

Gut möglich, dass die von der Hager Group entwickelten Steuerungssysteme eines Tages auch in Australien, Asien oder Südamerika zum Einsatz kommen. Die Blaupause der Hager Group könnte weltweit Energien freisetzen.

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