Vernetzt unterwegs

Wie mobile und immobile Welt zusammenwachsen

Vernetzt
unterwegs

Früher waren Häuser der Ort, vor denen wir unsere Autos parkten. Heute kommunizieren beide miteinander. In Zukunft werden E-Fahrzeuge und intelligente Immobilien nicht nur Informationen, sondern auch Energie austauschen und virtuell immer mehr verschmelzen.

Die Experten Veit Rohrberg, Leiter Entwicklung Smart Charging bei der Audi AG, und Ulrich Reiner, Advanced Energy Solutions Manager bei der Hager Group, über den bevorstehenden Brückenschlag zwischen Automobil und Immobilie.

Veit Rohrberg ist Leiter Entwicklung Smart Charging bei der Audi AG. Seit 2010 beschäftigt sich Rohrberg mit der Elektromobilität und Themen wie Fertigungsprozessen von Elektroautos, Ladesysteme und der intelligenten Vernetzung des Fahrzeugs mit seinem Umfeld.
Ulrich Reiner arbeitet seit 2012 bei der Hager Group. Seine Diplomarbeit schrieb der Elektroingenieur über die Integration von E-Fahrzeugen in die Energie-Infrastruktur. Genau dieses Thema verantwortet er heute auch in der Abteilung Corporate Strategy im Bereich Innovations.

Herr Rohrberg, was hat Sie eigentlich zur Elektromobilität gebracht?

Mobilität ist einfach ein hohes Gut, und wer einmal ein E-Fahrzeug gefahren und dessen Agilität erlebt hat, ist automatisch begeistert. Auf der anderen Seite geht es um Nachhaltigkeit und einen Ersatz für die endlichen Ressourcen. Und es macht einfach einen Riesenspaß, wenn Industrien wie die Automobilbranche, Energieversorger und jetzt auch die Gebäudetechnik die bislang wenig miteinander zu tun hatten, gemeinsam an der Mobilität der Zukunft arbeiten.

Im Jahr 2003, als ich das Thema für mich entdeckte, war Elektromobilität noch ein Nischenthema und ein winziger Markt. Damals war man mit einer Art elektrifiziertem Liegefahrrad und Reichweiten von weniger als 40 Kilometern unterwegs. Heute sind wir auf dem Weg zu einem Massenprodukt, das uns nachhaltig prägen und genauso in die Gebäudeinfrastruktur Einzug halten wird, wie es vor Jahrzehnten der Stromzähler tat. Deshalb kommen unsere beiden Branchen, Herr Rohrberg, ja zusehends miteinander ins Gespräch.

Wir sehen das genauso. Wir integrieren heute schon die digitale Erlebniswelt des Kunden in unsere Autos. Die Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Umwelt ist für uns prinzipiell nichts Neues. Mit dem Energiemanagementsystem von Gebäuden kommt jetzt ein weiteres wichtiges Element dazu.

Das andere große Thema ist die Energiewende. In den Haushalten halten momentan Photovoltaikanlagen, Energiespeicher und elektrische Wärmepumpen Einzug, deren Produktion beziehungsweise Verbräuche gesteuert werden müssen. Und dafür braucht es ein intelligentes Managementsystem, mit denen sich Energieflüsse und -kosten kontrollieren lassen. Dieses Home Energy Management System (HEMS), wie wir von der Hager Group es gerade entwickeln, handelt mit dem E-Fahrzeug eine optimale Ladeplangeschwindigkeit aus. Es schützt vor einer Überlastung des Hausstromnetzes und ermöglicht Verbrauchern, ihren ökologischen Fußabdruck wie auch Energiekosten zu vermindern.

Das lohnt sich.

In der Tat. Wer sein E-Fahrzeug mit Strom aus der hauseigenen Photovoltaikanlage auflädt, kann bares Geld sparen.

Die Europäische Union hat sich vor wenigen Monaten für dynamische Stromtarife ausgesprochen. Wenn aber zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Strompreise aufgerufen werden, wird es plötzlich interessant, sein Auto zum günstigsten Tarif aufzuladen, möglicherweise sogar gratis. Denn in Phasen starken Windes oder hoher Photovoltaik-Stromerzeugung wird Strom nahezu kostenlos angeboten. Ist doch großartig, wenn man ihn nutzen und damit auch noch das Klima schonen kann!

Bis 2050 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um 80 Prozent reduzieren, in Deutschland soll der Gebäudebestand bis dahin klimaneutral umgestaltet sein. Das hat weit reichende Konsequenzen: Wir rechnen damit, dass sich der Stromverbrauch eines Haushalts durch ein E-Mobil verdoppelt. Kommt auch noch eine elektrische Heizung dazu, verdreifacht sich der Strombedarf. Und diese Energie muss sicher und flexibel im Gebäude verteilt und gesteuert werden.

427 km
4 St.
49 Min.
0 Tank­stopps
Blieskastel

Unternehmenssitz der Hager Group im Saarpfalz-Kreis, 22.400 Einwohner

Ingolstadt

Stammsitz der Audi AG und Standort des zweitgrößten Automobilwerks in Europa, 135.000 Einwohner

Macht aus Ihrer Sicht ein Home Energy Management System auch dann Sinn, wenn man keine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat?

In jedem Fall, denn nur mit einem HEMS kann der Verbraucher die Vorteile dynamischer Stromtarife nutzen. Das HEMS sorgt dafür, dass Strom bevorzugt dann verbraucht wird, wenn er im Überfluss vorhanden und günstig ist. Hinzu kommt, dass sich ein HEMS Verbraucher wie Waschmaschine, E-Fahrzeug oder Wärmepumpe je nach Stromangebot zu- oder abschalten kann, sofern diese Verbraucher mittels KNX oder nach dem neuen EEBus Protokoll kommunizieren.

Wie wird ein HEMS denn mit den Smart Metern zusammenspielen, die wir künftig bekommen werden?

Smart Meter Gateways bilden das Kommunikationsmodem zwischen dem Zählerplatz daheim und dem Energieversorger. Sie sind unerlässlich, damit das HEMS für den Stromkunden eine optimale Verbrauchssituation erstellen und die günstigsten Stromtarife nutzen kann. Smart Meter Gateways werden übrigens geradezu nach militärischen Standards abgesichert, damit keine privaten Daten nach außen gelangen. Und natürlich bedeuten sie erst einmal zusätzliche Infrastrukturkosten. Dafür werden in der Erneuerbaren Energien-Zukunft die Betriebskosten tendenziell gegen Null gehen. Heute müssen Sie als Stromkunde Gas, Öl und Kohle noch bezahlen. Wind und Sonne aber liefern kostenlos. Unterm Strich wird die Energieversorgung für den Endkunden vermutlich nicht wesentlich teurer. Was wird sich aus Ihrer Sicht in puncto Ladetechnologien tun?

Klar ist: Das Laden muss so komfortabel wie möglich sein. Heute muss der Kunde sein Fahrzeug noch manuell ankoppeln. In Zukunft können wir ihm dies durch Technologien wie induktives oder automatisiertes Laden abnehmen. Eine andere wichtige Frage lautet, wie man beim Unterwegssein auf Langstreckenfahrten binnen kurzer Zeit nachladen kann. Wir wollen schon bald Ladeleistungen von 150 kW möglich machen. Damit ist man innerhalb von 30 Minuten wieder langstreckentauglich. Außerdem engagieren wir uns im Joint Venture Ionity, das den Aufbau eines europaweiten Schnellladenetzes vorantreibt. Unterm Strich wird die Reichweite von E-Fahrzeugen bald kein Thema mehr sein.

Versetzen wir uns nur ein paar Jahre in die Zukunft und stellen uns vor, dass ein paar Hunderttausend oder Millionen E-Fahrzeuge an den Ladestationen andocken. Jede Fahrzeugbatterie kann etwa so viel Energie speichern, wie ein Durchschnittshaushalt in einer Woche benötigt. Mit anderen Worten: Mit E-Fahrzeugen werden plötzlich gewaltige dezentrale Speicherkapazitäten verfügbar. Ihre und unsere Branche können gemeinsam einen großen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten.

In Deutschland stehen heute rund 40 GWh Pumpspeicherkraftwerkleistung zur Verfügung. Audi hat sich zum Ziel gesetzt, 2025 ein Drittel der Fahrzeuge elektrifiziert in den Markt zu bringen. Die Ziele unserer Konzernmarken dazu genommen, entspricht das einer Kapazität von rund 150 GWh Energiespeicher, die pro Jahr neu in den Markt kommen.

… also mehr als das Dreifache der momentan in Deutschland verfügbaren Speicherleistung. Übrigens haben wir von der Hager Group gerade den Energiespeicherspezialisten E3/DC übernommen, mit dem wir beim Thema Speichertechnologie interessante Entwicklungen planen. Wenn wir mal zehn oder 20 Jahre in die Zukunft schauen: Welche Rolle sehen Sie dann für Elektromobilität?

Per App ist der aktuelle Ladezustand des E-Fahrzeugs immer im Blick.

Sie wird eine weit verbreitete Mobilitätsform sein. Und E-Fahrzeuge werden zu einem integralen Bestandteil der Energielandschaft. Vermutlich werden die Batterien so ausgereift sein, dass wir Elektroautos als mobile Speicher nutzen können, um Energie zwischenzuspeichern und bei Bedarf wieder ins Energienetz einzuspeisen.

Sehe ich genauso. Aus Sicht des Gebäudetechnikers würde ich noch ergänzen, dass Komforteinstellungen des Gebäudes von der Haus-Automation automatisch ins Fahrzeug übertragen werden können. Fahrzeug und Gebäude werden sich in Zukunft ideal ergänzen, und das Fahren wird ein neues Erlebnis sein. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

Ich mich auch! Für Ihre und unsere Branche ist es eine superspannende Zeit. Wenn wir industrieübergreifend zu vernetzten Lösungen kommen, werden Dinge möglich, die früher undenkbar schienen. Zum Wohle von Umwelt, Klima und Verbrauchern.

Home Energy Management System

Balanciert Strom-Erzeugung und -Verbrauch mit Blick auf zu erwartende Produktion und Verbrauch

PV-Anlage

Speist selbst erzeugten Strom in Hausnetz, Pufferspeicher oder Batterie des E-Fahrzeugs

E-Fahrzeug

wird je nach aktuellem Strompreis, Energienachfrage und -produktion im Haus aufgeladen

Netzanbindung

Liefert Energie und nimmt sie ab; könnte E-Fahrzeuge künftig als flexible Speicher nutzen

Was ist ein HEMS?

Home Energy Management Systeme (HEMS), wie sie die Hager Group momentan entwickelt, wird man künftig in intelligenten Gebäuden finden, die nicht mehr nur Energie verbrauchen, sondern sie – zum Beispiel von der Speicherbatterie eines E-Mobils oder mittels stationärem Speicher – auch aufnehmen und mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach selbst erzeugen. Gleichzeitig werden mit Wärmepumpen und E-Fahrzeugen auch zusätzliche steuerbare Großverbraucher hinzukommen. Das Gebäude wird vom reinen Energie-Konsumenten zum Prosumer, der auch Energie produziert. Und all diese Energieströme steuert das HEMS.

Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören das so genannte Anti-Tripping (also die Vermeidung von Überlast und Stromausfällen), die Photovoltaik-Optimierung (maximale Eigennutzung des selbst erzeugten Öko-Stroms) und das intelligente Aufladen von E-Fahrzeugen (mit Blick auf Nutzung des selbsterzeugten Stroms und den aktuellen Kosten für Netzstrom). Intelligente HEMS wie jene der Hager Group berücksichtigen auch den zu erwartenden Energiebedarf eines Haushalts sowie die voraussichtliche Stromerzeugung der hauseigenen Photovoltaikanlage und steuern den Stromverbrauch entsprechend. Auf diese Weise schont ein Home Energy Management System gleichermaßen Umwelt, Klima und Portemonnaie.

Hager Group Annual Report 2017/18 – Brücken bauenHager Group-Kollegen erproben neue Produkte und ArbeitsformenFrançois Lhomme über VeränderungDie Hager Group engagiert sich für die GesellschaftMarc Keller, Präsident des Vereins, über die Partnerschaft und ihren NutzenWie die Hager Group Fachhandwerker und Bauherren zusammenbringtMike Elbers über Customer CentricityErfolgreich auf unkonventionellen Wegen: Das Projekt „silhouette“Wie mobile und immobile Welt zusammenwachsenPhilippe Ferragu über DigitalisierungKooperation über Grenzen hinweg: Eine ErfolgsgeschichteDer Unternehmensberater Prof. Peter May über die Eigenheiten von FamilienfirmenFranck Houdebert über Familien­unternehmen – eine Brücke zwischen Vergangenheit und ZukunftTüfteln an der Energielandschaft von morgenUnsere E3-InitiativeUnser AufsichtsratWeltweite KontakteDie Hager Group weltweitImpressumHager Group Annual Report ArchiveHager Group Annual Report 2018/19Hager Group Annual Report 2017/18Hager Group Annual Report 2016Hager Group Annual Report 2015