Während in deutschen Haushalten immer mehr moderne Elektrogräte Einzug halten, steckt die Elektroinstallation noch millionenfach auf dem Stand der Nachkriegszeit fest. „Um Brandgefahren vorzubeugen und sich fit für die Energiewende zu machen, müssten in Deutschland Millionen Gebäude elektrotechnisch saniert werden“, erklärt Johannes Hauck, bei der Hager Group und Leiter des Lenkungskreises „Elektro-Modernisierung“ beim Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI). „Leider ist aber kaum jemandem bewusst, wie hoffnungslos überaltert die Elektroinstallation vieler deutscher Immobilien ist.“
Wie untauglich der Status der Elektroinstallation in Millionen Gebäuden ist, belegt eine aktuelle Gemeinschaftsstudie der Fachhochschule Südwestfalen mit der Leuphana-Universität Lüneburg, die am 28. Oktober in einer Veranstaltung des ZVEI veröffentlicht worden ist. Im Auftrag des ZVEI hatten die Forscher den Zustand elektrischer Anlagen in Eigentums- und Mietimmobilien abgefragt – und waren zu niederschmetternden Ergebnissen gekommen. Ein Großteil der untersuchten Neu- wie auch Altbauten erfüllt demnach nicht die heute gültigen Ausstattungsstandards. So ist fast die Hälfte der in den Sechziger Jahren errichteten Gebäude nie elektrotechnisch auf Vordermann gebracht worden. Das bedeutet: Ihre Nutzer und Bewohner leben noch mit Elektroinstallationen, die zu Zeiten der Regierung Ludwig Erhard installiert worden sind. Die ZVEI-Bestandserhebung, meint Hager-Experte Hauck, „ hat unsere schlimmsten Erwartungen noch übertroffen.“
Größter Sanierungsbedarf bei Gebäuden aus den Wirtschaftswunderjahren
Die wichtigsten Studienergebnisse:
Tickende Zeitbomben in Wänden und Kellern
„Dem Laien ist kaum bewusst, welchen Belastungen sein hausinternes Stromnetz durch den Einsatz der neuen hochmodernen Elektrogeräte ausgesetzt ist“, konstatieren die Autoren der Studie. „Etwas provokant ausgedrückt, könnte man die Elektroinstallation in Gebäuden auch als das „Vergessene System“ in der Stromversorgungskette bezeichnen.“
Wie schnell eine Belastung zur gefährlichen Überlastung werden kann, zeigt die Analyse von Brandursachen. Nach Zahlen der Versicherungswirtschaft sind mittlerweile ein Drittel aller Brände auf Fehler in der Elektrik zurückzuführen. Unter den vorbeugbaren Brandursachen rangiert die Elektrizität mit 52 % sogar unangefochten auf Rang 1. Mit einer Sanierung der Elektroinstallation lässt sich somit das Brandrisiko spürbar senken.
Regelmäßige Überprüfung unumgänglich
Das gilt einmal mehr, als die Elektroinstallation in Zukunft immer mehr leisten können muss. Wenn aus einst reinen Stromkunden Prosumer werden, die Strom effizient konsumieren, ihn gleichzeitig mit PV-Anlagen produzieren und sogar in E-Mobile einspeisen, muss Elektroinstallation weit mehr leisten als heute. Darauf aber sind die Leitungen und Anlagen von Millionen Gebäuden schlichtweg nicht ausgelegt.
„Das Energiesystem der Zukunft wird mit den Elektroinstallationen von Vorvorgestern nicht funktionieren“, kritisiert Johannes Hauck, der als Leiter des Lenkungskreises „Elektro-Modernisierung“ beim ZVEI das Thema seit Jahren begleitet. Traditionelle Anlagen könnten weder Messwerte erfassen noch den Verbrauch regeln und steuern. „Was derzeit passiert, ist etwa so, als würde man einen Hochgeschwindigkeitszug auf einem alten Nahverkehrsschienennetz betreiben wollen: Auf einer solchen Grundlage wird jede Entwicklung gebremst.“
Damit die Energiewende in den Privathaushalten ankommen könne, müssten die Förderanreize für Modernisierung aufgestockt werden. Außerdem sollte der Zustand von Elektroanlagen regelmäßig überprüft und bei Bedarf verbessert werden. In Frankreich beispielsweise ist eine solche Überprüfung bei jedem Mieter- oder Eigentümerwechsel obligatorisch. Während die Franzosen (zukunfts-) sicher wohnen und arbeiten, leben viele Deutsche im schlimmsten Fall mit tickenden Zeitbomben in Wänden und Keller. Immerhin: Dank der Forschungsarbeit können sie jetzt systematisch entschärft werden.
- Grafik: Quelle: FH-Südwestfalen – FG Energieversorgung – ZVEI
- Foto J. Hauck (Hager Group)
- Foto der ZVEI Pressekonferenz ("Leipziger Messe / Martin Klindtworth")
Falls Sie Johannes Hauck interviewen möchten, können Sie sich gerne an mich wenden!
Pressemitteilung : ZVEI Studie (DOC, 144 KB)
Bilder : ZVEI Studie (ZIP, 6 MB)